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Augen, doch dann drehte sie sich wieder zum Fen-
ster um, als könne sie ihren Anblick nicht ertragen.
»Ich habe immer mein Bestes getan, um euch alles
zu geben«, fuhr sie leise fort. »Und ich dachte,
hierherzukommen würde ... eine Chance sein, die
Dinge zum Besseren zu wenden ... und euch eine
ganz andere Ausbildung zu ermöglichen. Ich wäre
dazu nicht in der Lage. Doch jetzt glaube ich, daß
es ein Fehler gewesen ist.«
Virginia konnte sie kaum verstehen, so leise
sprach ihre Mutter. Es mußte ihr miserabel gehen.
So hatte sie sie bis jetzt erst zwei-, dreimal in ihrem
Leben erlebt. »Mom, wenn wir nicht hierherge-
kommen wären, hätte ich Nick niemals kennenge-
lernt!« sagte sie in dem verzweifelten Versuch,
ihre Mutter auf andere Gedanken zu bringen. »Er
und seine Katzenfreunde haben mich gestern
nacht zum Nordpol gebracht!«
»O Virginia, du bist solch eine Träumerin«, sag-
te Gillian, und es war so viel Resignation in ihrer
Stimme, daß Virginia ganz elend zumute wurde.
»Es war kein Traum«, protestierte sie. »Schau
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her.« Sie zog die Feder hervor, als sei sie ein uner-
schütterlicher Beweis für ihre Worte. »Carla, der
Pinguin, hat sie mir gegeben.«
Gillian hatte sich wieder zu ihr umgedreht und
sah sie nur traurig an. »Süßes, ich glaube eher, die-
se Feder stammt aus deinem Kopfkissen.«
In diesem Moment schwang die Tür weit auf,
und Stan schlurfte herein, verschlafen und mit
kleinen Augen, in denen dennoch bereits Heim-
tücke glitzerte. »Was läßt unser Nesthäkchen denn
heute morgen ab?« fragte er gehässig. Offenbar
hatte er die letzten Worte seiner Mutter mitbe-
kommen.
Virginia drehte sich wütend zu ihm um. »Ich
sage dir, ich werde bald ein Elf sein!« sagte sie trot-
zig.
Stan gab ein abfälliges Geräusch von sich. »Das
bist du doch schon, Zwerg«, sagte er von oben her-
ab. »Ein schmächtiger kleiner Wicht, der den gan-
zen Tag vor sich hinträumt.«
»Stan ...«, unterbrach ihn Gillian müde.
»Stan, Stan, Stan!« sagte Stan wütend. »Du soll-
test dich besser um diesen Elf kümmern, der vor-
gibt, meine Schwester zu sein. Mach ihr bitte klar,
wie in Wahrheit der Hase läuft.«
Gillian sah ihn einen Augenblick verzweifelt an.
»Und was soll das ändern?« fragte sie resigniert.
»Es wird überhaupt nichts ändern!« rief Virgi-
nia wütend. »Weil nämlich jedes Wort, was ich
sage, wahr ist!«
Gillian schüttelte langsam den Kopf. »Virginia,
ich hatte viele Träume «, begann sie und es war ihr
anzusehen, wie mühsam sie nach Worten rang.
»Aber Träume sind nicht die Wirklichkeit. Sie kön-
nen wunderschön sein ... doch sie sind nicht real.
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Und wir leben in der Realität.« Sie zuckte mit den
Achseln. »Leider werden nur die wenigsten Träu-
me irgendwann wahr, und selbst wenn sie es wer-
den, sind die Folgen meist ganz anders, als man
sich das vorstellt.«
»Aber Mom«, protestierte Virginia in dem ver-
zweifelten Versuch, ihre Mutter doch noch zu
überzeugen. »Ich kann beweisen, daß es kein
Traum war!«
Sie sah sich suchend um, entdeckte das Telefon
auf Gillians Nachttisch und war mit ein paar
Schritten bei ihm. Mit zitternden Fingern nahm sie
den Hörer ab und wählte eine Nummer. Es tat
weh, daß ihre Mutter ihr nicht glauben wollte, es
war, als würde sie ein Messer in ihren Bauch sto-
ßen und es dann umdrehen. Aber sie hatte immer-
hin die Chance, sie noch zu überzeugen, und diese
Chance würde sie nutzen.
»Ich hoffe, sie ruft ihren Psychiater an«, maulte
Stan. »Das ist ja wohl alles nicht mehr auszuhal-
ten.«
»Rico!« rief Virginia in das Telefon und drückte
gleichzeitig die Taste für die Mithöreinrichtung.
»Bist du fertig mit deinem Brief an Du-weißt-
schon-Wen?«
»Du meinst Santa Claus?« war Ricos überrasch-
te Stimme aus dem Lautsprecher zuhören.
»Du hast es gesagt!« rief Virginia aufgeregt und
drehte sich zu ihrer Mutter um. »Siehst du, Mom,
Rico hat Santa Claus gesagt, nicht Canta Slaus ...
denn letzte Nacht hat unsere Magie seine Leg-
asthenie vertrieben!«
»Soll ich den Krankenwagen rufen, oder tust
du's selbst?« fragte Stan seine Mutter.
Gillian rang sich ein verkrampftes Lächeln ab,
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während Virginia sich mit einem >Bis später
Rico verabschiedete und den Hörer wieder auf die
Gabel warf. »Ich bin froh, daß du doch am Nord-
pol warst«, sagte Gillian tonlos. »Aber erzähl das
bloß nicht Onkel Mallory, in Ordnung?«
»Du glaubst mir nicht!« stellte Virginia ent-
täuscht fest.
»Ich glaube, daß wir uns heute alle zusammen-
reißen sollten«, antwortete Gillian ausweichend.
»Macht euch jetzt fertig, damit wir Heiligabend
gebührend feiern können.«
Virginia fühlte sich wie vor den Kopf geschla-
gen. Da hatte sie das größte Wunder erlebt, das
sich nur vorstellen ließ, und ihre Mutter machte
sich nicht einmal die Mühe, ihr wirklich zuzuhö-
ren. Sie hielt alles für ein Hirngespinst, für die
Ausgeburt ihrer Fantasie und machte gar nicht
den Versuch, nachzuforschen, was nun wirklich
an der Sache war. Hätte ihre Mutter ihr gesagt,
daß sie sie nicht mehr lieb hatte, sie hätte sie nicht
mehr verletzen können.
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Die künstliche Weihnachts-Fröhlichkeit, das
aufgesetzte Spektakel mit seiner provozie-
renden Gewalttätigkeit des Spielzeughim-
mels hatte Nick nun wieder eingeholt. Er trug die
ekelhafte Monster-Killer-Verkleidung, die ihm
selbst bei beiläufigen Bewegungen etwas Kriegeri-
sches verlieh. Selbst die Nähe der Katzenfrauen,
die sich nun wieder nur wenige Meter von ihm
entfernt an einer Verkaufsecke für militärisches
Spielzeug aufgebaut hatten, konnte ihn jetzt nicht
beruhigen. Er konnte selber nicht mehr begreifen,
wie er sich dazu hatte hergeben können, die
Produktion dieses fürchterlichen Spielzeugs maß-
geblich zu unterstützen und sogar Merlin und die
Elfen dazu zu drängen, immer mehr von diesem
aggressiv aufgemotzten Kunststoffabfall herzu-
stellen.
Es war nur eine gerechte Strafe, daß er jetzt sel-
ber als Monster-Killer im Spielzeughimmel stand,
inmitten der Hektik, die jetzt, nur wenige Stunden
vor Heiligabend, ihren Höhepunkt erreichte. Die
Kunden eilten mit hektischen Blicken und sturen
Gesichtsausdrücken durch die Gänge, und nichts
gemahnte an eine geruhsame Weihnachtsstim-
mung und die ursprüngliche Intention des Heili-
gen Festes. Es war alles zu einem großen Jahr-
markt der Eitelkeiten und der kostspieligen
Geschenke verkommen; und das, was einst Be-
sinnlichkeit bedeutet hatte. konnten die wenigsten
heute überhaupt noch verstehen. Wahrscheinlich
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wußten sie nicht einmal mehr genau, was das
Wort Besinnlichkeit bedeutete.
Ein vielleicht dreizehnjähriger Junge zog seinen
Vater aufgeregt an den Katzenfrauen vorbei in sei-
ne Richtung. »Guck mal, Dad!« rief er aufgeregt
und deutete auf Nick, »Da steht der Monster-Kil-
ler, von dem ich dir erzählt habe!«
»So, so«, sagte der Vater, ein Mann mit Nickel-
brille und Pfeife, der sich inmitten des Weih-
nachtstrubels offensichtlich alles andere als wohl
fühlte. Er nahm einen Zug aus seiner Pfeife und
ließ sie dann wieder sinken. »Und Sie sollen so
etwas ganz Besonderes sein?« fragte er Nick.
»Das Spielzeug des Jahres oder so etwas ähnli-
ches?«
»Irgend so ein Schwachsinn, ja«, antwortete [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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