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Brennan war dort Patient.
»Bitte stellen Sie mich zu seinem Zimmer durch«, sagte
Chandler und dankte Gott.
»Tut mir leid, Sir, das geht nicht.«
»Warum? Ist er zu krank, oder ist das Telefon kaputt?«
»Ich darf über seinen Zustand keine Auskunft geben, Sir.«
»Na gut. Kann ich ihn besuchen?«
»Nein, tut mir leid.«
Chandler wurde wütend. »Ist er tot oder lebendig?«
»Tut mir leid, ich darf nichts sagen.«
»Warum haben Sie mir dann gesagt, dass er Patient ist?«
Pause. Schließlich flüsterte das Mädchen: »Ich bin
Lernschwester, und ich bin nur ans Telefon gegangen, weil sonst
niemand auf Station ist. Ich hätte Ihnen nicht mal sagen dürfen,
dass er hier ist. Wir haben strenge Anweisungen, und wenn Sie
mich verraten, kriege ich furchtbaren Ärger, verstehen Sie? Also
bitte & «
»Alles klar«, seufzte er. »Alles klar.«
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Er legte auf. »Polly, die haben sich Brennan geschnappt. Er ist
kein Patient, sondern Gefangener. Er wird abgeschirmt.«
Sie nickte. Ȇberrascht mich nicht. Wenn sie was machen,
dann gründlich.«
Unter Prassers Privatnummer meldete sich niemand. »Mein
Gott, vielleicht ist er tot. Oben in Maine.« Chandler hatte darauf
gezählt, Prasser zu erreichen. Bisher konnte er die Möglichkeit,
dass er umgebracht worden war, noch weitgehend ausklammern.
Nun war die Befürchtung keine reine Hypothese mehr.
Am späten Nachmittag gingen sie zu Fuß zu Sage s in der
Brattle Street, um Lebensmittel einzukaufen.
Als sie zurückkamen, nahm Chandler in der dämmerigen
Küche ihr zartes Gesicht in seine Hände, sah ihr in die Augen
und sagte: »Bleib bei mir.«
»Natürlich«, erwiderte sie.
Er küsste sie und drückte sie fest an sich.
»Das macht mir mehr Angst als alles andere«, flüsterte er.
»Alles ist so verdammt steril. Aber wir wissen, was passiert ist 
wie können sie es so darstellen, als sei nichts gewesen? Wo sind
all die rechtschaffenen Leute hingekommen?«
»Vielleicht ist die Rasse ausgestorben«, meinte sie.
Später, im Bett, hielt er sie in den Armen, starrte ins Licht der
Straßenlampen und sagte: »Ich liebe dich über alles.«
»Ich mag«, korrigierte sie, »das reicht für heute, Professor.«
Doch er träumte nicht von der Liebe, sondern von Prosser und
Brennan, und beide waren tot. Da wurde ihm langsam klar, dass
auch er gestorben war.
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FREITAG
Nach einem Blick auf die Uhr sprang er aus dem Bett, voller
Panik wegen seiner Träume und der späten Stunde: Zur Zehn-
Uhr-Vorlesung würde er es nicht mehr schaffen. Doch als er
richtig wach wurde, erkannte er, dass seine Welt nicht mehr die
gleiche war. Polly Bishop schlief in seinem Bett, und keiner
erwartete von ihm, dass er eine Vorlesung hielt. Er war vermisst
und vergessen  zumindest im Moment. Ob die Studenten
immer noch zu seinen Vorlesungsterminen kamen, um zu
erfahren, ob er wieder aufgetaucht war? Oder hatten sie für ihn
schon Ersatz gefunden?
»Was machst du?« Polly beschirmte ihre Augen vor der
Morgensonne, die auf das Kissen schien und ihn vermutlich
geweckt hatte. »Warum starrst du so ins Leere?«
»Ich habe um zehn Vorlesung. Ich gehe hin.« Und schon zog
er die Schlafanzugjacke aus und griff nach einem seiner zehn
blauen Baumwollhemden mit geknöpftem Kragen. »Ich muss
herausfinden, was gespielt wird.«
»Gute Idee.« Sie schlug die Bettdecke zurück und stand gleich
darauf nackt neben ihm. »Ich komme mit.«
»Als Reporterin?«
»Weiß ich noch nicht. Vielleicht.«
Sie brauchten genau fünf Minuten bis zur Universität. Im
überfüllten Hörsaal befanden sich an die zweihundert Studenten
 seine größte Gruppe, die drei ineinander greifende Kurse
vereinte und einmal pro Woche zusammenkam. Das Podium im
Mittelpunkt des Amphitheaters war noch unbesetzt. In etwa
zwei Minuten würden die Studenten langsam wieder aufstehen
und gehen, aber die Unruhe war nicht größer als sonst: lautes
Stimmengewirr, gereckte Hälse, um sich über die schrägen
Sitzreihen hinweg besser verständlich zu machen, Nachzügler,
die schwungvoll die steilen Aufgänge hinunter eilten. Chandler
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und Polly saßen weit hinten, am Ende einer Reihe von
Studenten, die nicht zu seiner eigenen kleinen Gruppe gehörten.
Im allerletzten Moment betrat der Dozent den Raum: der
ehrenwerte Leiter der geschichtswissenschaftlichen Fakultät
Bert Prosser. Er trug einen rotbraunen Tweedanzug mit roter
Krawatte, dazu klobige rote Stiefel, und als er auf das Podium
zuging, klopfte er mit dem Kopf seiner polierten Bruyerepfeife
rhythmisch auf seine Handfläche. Er legte die Pfeife weg,
hängte sich das winzige Mikrofon um den dürren Hals und
räusperte sich. Bevor er anfing zu sprechen (ohne Notizen, wie
üblich), steckte er die zu Fäusten geballten Hände in die
Jackentaschen, um das leichte Zittern zu verbergen, das
Chandler in den letzten Jahren bei ihm bemerkt hatte. Polly
drückte Colins Arm.
»Ich weiß«, begann Prosser, der seine Zuhörer allein durch
seine Stimme zum Schweigen brachte, »dass mein Kollege
Professor Chandler, der übrigens am kommen Montag wieder
hier sein wird  «, er hob seine rosige Hand, um das
Stimmengewirr zu unterdrücken: »Keine Jubelschreie, bitte. Ich
weiß, dass er vielen von Ihnen seine bekannten und
beachtenswerten Theorien über den Aspekt der Spionage
während der amerikanischen Revolutionskriege nahe gebracht
hat. Aber da ich heute seinen Platz einnehme, dachte ich, ich
könnte Sie an den vagen Gedanken eines alten Mannes zu
diesem Thema teilhaben lassen.
Ich kenne mich aus mit Spionage und Heldentum. Doch wenn
ich den Legenden gerecht werden müsste, die hier über mich
kursieren, müsste man mich irgendwo zwischen Edgar Hoover,
Allen Dulles und Scarlet Pimpernel einordnen, der übrigens kein
Comic-Held ist, der sich in einem Cadillac durch Bostons
Kampfzone bewegt & Die Wahrheit sieht natürlich ganz anders
aus; ich werde heute nur kurz darauf eingehen & « Er machte
eine Pause.
»Auch ich glaube an große Männer, wie Professor Chandler.«
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Sein Blick glitt ausdruckslos über die Menge. »Falls Sie das
nicht tun, so sind Sie ignorant und zynisch. Die Revolution hat
auf unserer Seite einige unbestreitbar große Männer
hervorgebracht  nicht nur, weil sie auf der Siegerseite standen,
sondern weil sie ungeheuer engagiert und risikobereit waren &
Es bietet sich natürlich an, sie mit Ho Chi Minh oder Mao zu
vergleichen, und sicherlich ist das kein Verbrechen, doch ich
muss sagen, dass unsere Revolution ein weitaus
beeindruckenderes Beispiel für großartige Männer und
großartige Prinzipien liefert.
Ich bin sicher, Professor Chandler hat Ihnen bereits erklärt,
dass unsere Revolution sich eben durch solche Männer
heraushebt, selbst wenn Treuebruch und Verrat  wie die eine
oder andere Seite es nennt  in dieser Zeit eine große Rolle
gespielt haben &
Was kann ich nun Chandlers These über diese großen Männer,
die er so vehement vertritt, hinzufügen? Nur eines:
Schenken Sie ihm Glauben!«
Während Prosser in dieser Manier fortfuhr, schweiften
Chandlers Gedanken ab, doch er kam zu keinem Ergebnis.
Prosser wiederholte seine oft vertretene Ansicht, wir lebten in
einem Zeitalter moralischer Pygmäen & moralischer Klone; das
Schicksal unseres Planeten sei weitgehend den Technikern und
ihren diversen Gerätschaften überlassen worden, wodurch dem
modernen Menschen die Begegnung mit menschlicher Größe
versagt bliebe.
»Eine Maschine«, erklärte Prosser, »sei es nun ein Computer
oder ein winziges verstecktes Mikrofon oder eine
wärmeorientierte Rakete: eine Maschine kann ihre
vorgegebenen Grenzen nicht überschreiten. Doch Grenzen zu
überschreiten ist die Essenz jeder Art von Größe & Ich fürchte,
menschliche Größe gehört der Vergangenheit an &
Adlai Stevenson hat es einmal auf den Punkt gebracht, als er
zu mir sagte: : Unsere Viktorianischen Vorfahren hat eine
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niedrige Gesinnung verlegen gemacht. Wir haben dieses Gefühl,
wenn uns das Noble begegnete.9 « Er seufzte und nestelte an
seinem Mikrofon. »Ich erwarte nicht, dass Sie verstehen, wovon
ich rede & Warum auch? Was können Sie von Größe wissen?
Wir haben es mit einer seltsamen Konstellation zu tun, mit der [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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